§ 886 ABGB regelt das Schriftlichkeitsgebot für das Zustandekommen von Verträgen, ist jedoch auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für die das Gesetz, ohne eine entsprechende Einschränkung zu machen, Schriftlichkeit vorsieht (RIS-Justiz RS0017216). Schriftlichkeit bedeutet im Regelfall eigenhändige Unterfertigung eines Textes mit dem Namenszug, also Unterschriftlichkeit. In bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen – wie etwa der Schenkung ohne tatsächliche Übergabe – bedarf es zudem der strengeren Form des Notariatsaktes (vglKoziol/Bydlinski/Bollenberger,Kurzkommentar zum ABGB4§ 886 Rz 1 ff). Sinn und Zweck des Schriftlichkeitsgebots ist zum einen der Übereilungsschutz, zum anderen die Beweisfunktion.
Vor dem Hintergrund des stetigen Wandels medialer Kommunikationsmittel und dem technischen Fortschritt mussten sich der Gesetzgeber und die Rechtsprechung bereits mehrfach mit den Anforderungen an das Schriftlichkeitsgebot und dessen Ausgestaltung auseinandersetzen. So stellte sich immer wieder die Frage, ob die Übersendung einer (Tele-)Kopie eines eigenhändig unterfertigten Originaldokuments dem Schriftlichkeitsgebot Genüge tut. Wenngleich der OGH mittlerweile die Telefax-Bürgschaft anerkennt, lässt sich diese Frage trotzdem nicht pauschal beantworten und unterliegt einer Einzefallbetrachtung. Kürzlich hat sich der OGH im Zusammenhang mit dem sozialen Medium „Whats app” und dem Schriftlichkeitsgebot zu Wort gemeldet (OGH 28.10.2015, 9 ObA 110/15t).
Ausgangspunkt war die Kündigung einer Zahnarztassistentin durch die Arbeitgeberin. Der Kollektivvertrag für Zahnarztangestellte normiert bei sonstiger Unwirksamkeit die Schriftlichkeit der Kündigung. Die beklagte Arbeitgeberin verfasste ein mit Stempel und Unterschrift versehenes Kündigungsschreiben, das der Arbeitnehmerin am 04.11.2014 postalisch zuging. Darüber hinaus fotografierte die Beklagte das Kündigungsschreiben mit ihrem Mobiltelefon und übermittelte das Foto per „Whats app” noch am 31.10.2014 an die Klägerin, die das Foto am selben Tag erhielt. Streitpunkt war die Kündigungsentschädigung für den Monat Dezember und damit die Frage, wann der Klägerin das Kündigungsschreiben wirksam zugegangen ist und ob die Übermittlung eines Fotos des Kündigungsschreibens per „Whats app” den Anforderungen des Schriftlichkeitsgebots entspricht.
Durch die im Kollektivvertrag geforderte Schriftlichkeit soll dem Empfänger ein Dokument über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zum Zweck der Überprüfung und Vorweis bei einer Beratungsstelle verbleiben. Darüber hinaus kommt der Schriftform eine nicht zu unterschätzende Beweisfunktion zu. Ein lediglich über „Whats app” übermitteltes Foto des Kündigungsschreibens erfülle diesen Zweck laut OGH schon deshalb nicht, weil es für den Empfänger ohne weitere Ausstattung und technisches Wissen nicht möglich sei, das auf dem Smartphone übermittelte Foto auszudrucken. Darüber hinaus sei je nach Größe und Qualität des Displays nicht gewährt, dass der Empfänger dem Schreiben sämtliche Details mit hinreichender Sicherheit entnehmen könne.