In der Praxis taucht – insbesondere bei Personen, die allein mit der Obsorge betraut sind – immer wieder die Frage auf, ob es möglich ist, für den Fall des Todes eine andere Person mit der Obsorge zu betrauen. Aber auch bei Bestehen der gemeinsamen Obsorge kann sich diese Frage im Falle eines zeitgleichen Ablebens beider Elternteile stellen. Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher sinngemäß auch für diesen Fall.
Das deutsche Familienrecht räumt dem allein obsorgeberechtigten Elternteil durch die sogenannte „Sorgerechtsverfügung“, die als eine Art letztwillige Verfügung gesetzlich vorgesehen ist, die Möglichkeit ein, im Voraus zu regeln, wer nach seinem Tod die Obsorge für das minderjährige Kind erhalten soll.
Demgegenüber kennt das österreichische Recht keine derartige Möglichkeit. Das Gesetz sieht vielmehr vor, dass im Falle des Todes des allein obsorgeberechtigten Elternteils das Gericht – unter Beachtung des Wohles des Kindes – darüber entscheidet, wer anstelle des verstorbenen Elternteils mit der Obsorge für das minderjährige Kind betraut wird (§ 178 Abs 1 Satz 2 ABGB).
Nunmehr hat auch der Oberste Gerichtshof (OGH) im Rahmen eines Beschlusses über die Zurückweisung eines Rechtsmittels festgehalten, dass diese gesetzliche Regelung klar und eindeutig ist. Demnach sind Vereinbarungen darüber, wem im Falle des Todes (oder einer anderen Verhinderung) des allein obsorgeberechtigten Elternteils die Obsorge zukommen soll, nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht möglich und daher unwirksam. Die Obsorge kann nur von Gesetzes wegen oder aufgrund eines Gerichtsbeschlusses bestehen. Der OGH betont aber auch, dass derartige Vereinbarungen vom Pflegschaftsgericht, das über die Obsorge entscheidet, allenfalls als Wünsche der Eltern im Sinne des § 205 ABGB zu berücksichtigen sind, sofern sie dem Wohl des Kindes entsprechen. (OGH 13.04.2016, 10 Ob 30/18h).
Auch wenn Obsorgeregelungen für den Todesfall grundsätzlich unwirksam sind, kann es deshalb durchaus sinnvoll sein, den elterlichen Wunsch schriftlich festzuhalten, damit das Pflegschaftsgericht diesen bei der Entscheidung über die Obsorge nach Möglichkeit berücksichtigen kann.