Untreue im Gesellschaftsrecht

Zumindest nach einer oberflächlicher Recherche mag man den Eindruck gewinnen, als hätten mittlerweile alle renommierten Gesellschafts- und auch Strafrechtsexperten die umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Fall „Libro“ kommentiert. Für den Geschäftsführer und Vorstand, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet, bleibt auch nach den zahlreichen Stimmen aus der Lehre momentan vor allem ein großes Maß an Unsicherheit.

Dem Fall „Libro“ liegt, soweit in der Diskussion anlässlich der Entscheidung noch relevant, ein an sich einfacher Sachverhalt zu Grunde. Der einzige Aktionär einer AG beschließt die Ausschüttung einer Dividende an sich selbst, wobei ihm und auch dem Vorstand bewusst ist, dass der für die Ausschüttung auszuweisende Gewinn im Jahresabschluss durch die Missachtung zwingender Bilanzierungsvorschriften geschaffen wurde (= Bilanzfälschung). Die Ausschüttung hat keine Auswirkung auf die wirtschaftliche Lage der AG. 

Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die unzulässige Auszahlung von Geldern der Gesellschaft an den Gesellschafter erfolgt. Wesentlich ist, dass die Auszahlung gegen die Bestimmungen der Kapitalerhaltung verstoßen. Denkbar wäre aber auch eine betrieblich nicht zu rechtfertigende Gewährung von Sicherheiten für das Darlehen eines Gesellschafters; oder die Auftragserteilung zu nicht vollständig fremdüblichen Bedingungen an eine Gesellschaft, an die der Gesellschafter ebenso beteiligt ist. Sachverhalte, die möglicherweise das Verbot der Einlagenrückgewähr erfüllen, sind gerade in Konzernen allgegenwärtig.

Umso brisanter ist die rechtliche Wertung des Obersten Gerichtshofes, der zum Schluss kommt, dass das Verhalten des Vorstandes anlässlich dieser zivilrechtlich ohne Frage unzulässigen Zahlungen auch strafrechtlich unerlaubt ist. 

Es begeht eine Untreue, wer eine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dem anderen auf diese Weise einen Schaden zufügt. Der Vorstand einer AG oder der Geschäftsführer einer GmbH ist von dieser Bestimmung an sich umfasst. Ihm kommt die Befugnis zu, über das fremde Vermögen der AG oder GmbH zu verfügen. Fraglich ist aber – in diesem Punkt unterscheiden sich die Auffassung von Rechtsprechung und Lehre – ob durch die Zustimmung des einzigen Aktionärs, die Ausschüttung vorzunehmen, eine Befugnis „missbraucht“ wird. Außerdem stellt sich die Frage, ob durch eine Ausschüttung von Mitteln der Gesellschaft an den einzigen Gesellschafter tatsächlich ein Schaden für den Gesellschafter eintritt.

Es wird noch etwas Zeit brauchen, bis sich die aktuellen Unsicherheiten durch weitere Rechtsprechung aufklären. Für den Vorstand oder den Geschäftsführer bleibt bis dahin nur, besonderes Augenmerk auf die Frage zu legen, ob ein Sachverhalt gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt; dann nämlich besteht neben dem Risiko einer unmittelbaren Haftung nun auch eine strafrechtliche Sanktionierung im Raum, selbst dann, wenn der Eigentümer ausdrücklich zustimmt und davon kein Gläubiger benachteiligt wird.

Mit klaren Worten

Mag.jur. Philip Paumgarten

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