Sachverständiger im Strafverfahren

Gerade in Wirtschaftsstrafsachen, in denen maßgebliche Fragen oftmals ausschließlich von Sachverständigen beleuchtet und beantwortet werden können, stößt den Angeklagten eine Bestimmung der Strafprozessordnung oftmals sauer auf, die vom Obersten Gerichtshof nun aber etwas abgeschwächt worden ist.

Selbstverständlich muss auch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, in dem es noch um die Sammlung von Beweismitteln und deren Auswertung geht, um schlussendlich beurteilen zu können, ob denn eine Anklage erhoben wird oder das ermittelte Verhalten des Beschuldigten doch keinen Straftatbestand erfüllt, oftmals auf Sachverständige zurückgreifen. Insbesondere in Wirtschaftsstraffällen werden die Sachverständigen auch benötigt, um die Unternehmensstrukturen, Transaktionen und auch die wirtschaftliche (Schief-)Lage eines Unternehmens zu beurteilen.

Auf Basis der im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten wird sodann eine Anklage erhoben und im Hauptverfahren - zur selben Frage - der selbe Sachverständige beigezogen.

Der Angeklagte, der schon im Ermittlungsverfahren nicht in der Lage war, den Sachverständigen von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen, stößt sich nun daran, dass derselbe Sachverständigen nun wieder herangezogen und damit sein Gutachten wohl kaum abändern wird. Auf eigene Kosten eingeholte (Privat-)Gutachten haben in aller Regel nicht denselben Beweiswert. Der Angeklagte müsste damit leben, dass eine oftmals für seine Verteidigung geradezu essentielle Frage de-facto vorab beantwortet wurde und keine weitere fruchtbare Möglichkeit zur Verteidigung besteht.

Das Gericht und die Staatsanwaltschaft haben diese Vorgehensweise auf eine Bestimmung in der Strafprozessordnung gestützt, die zwar vorsieht, dass auch Sachverständige wegen Befangenheit ausgeschlossen werden können; aber der Umstand, dass der Sachverständige schon im Ermittlungsverfahren tätig war, stellt gerade keinen Befangenheitsgrund dar.

Diese Bestimmung wurde ausdrücklich als verfassungskonform gesehen, obwohl man durchaus der Meinung sein könnte, dass ein in allen Aspekten faires Strafvefahren womöglich nicht mehr gewährleistet ist.

Nun hat der Oberste Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen ein im Ermittlungsverfahren tätiger Sachverständiger im Hauptverfahren sodann nicht mehr zulässig ist; nämlich dann, wenn der Sachverständige von der Staatsanwaltschaft einen solch weitläufigen Gutachtensauftrag erhält, dass er nicht nur seine Expertise einzubringen hat sondern eher selbst ermitteln muss - und damit von einem Sachverständigen zu einem Ermittlungsorgan mutiert. Ermittlungsbehörden nämlich sind, wenn sie im Ermittlungsverfahren beigezogen wurden, im Hauptverfahren schon von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

In Zukunft wird gerade in Wirtschaftssstrafsachen aber auch anderen Strafverfahren, die in besonderem Ausmaß von einem Gutachten abhängen, exakt auf den Auftrag an den Sachverständigen zu achten sein, um im Hauptverfahren sodann womöglich mit Erfolg durchzusetzen, dass sich ein anderer, noch "unbefangener" Sachverständiger mit der Angelegenheit auseinandersetzt.

Mit klaren Worten

Mag.jur. Philip Paumgarten

Die hier maßgebliche Bestimmung der Strafprozessordnung ist schon seit einiger Zeit von manchen Stimmen in der Lehre kritisiert worden und hat gerade in denjenigen Strafverfahren, die aufgrund der Komplexität der Sach- und Rechtsmaterien zu "Gutachtensverfahren" verkommen, besondere Bedeutung erlangt. Die nun erfolgte Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof ist daher zu begrüßen.

Zurück